home

search

2. 00 Präludium

  Wir schrieben den siebzehnten Tag des zehnten Monats des Jahres 505 der Kür des Herrn. Die brütende, sengende Hitze drückte wie schon zu Zeiten unserer Vorv?ter hernieder. Mühselig schob sich ein historisch beispielloser Totenzug durch die engen Gassen der Heiligen Stadt. Ganz vorne führte der Oberste Marschall Balduin die Trauergesellschaft an, gefolgt von der Witwe des Kaisers, den Patriarchen aller fünf Gro?en K?nigreiche und dahinter noch den Vertretern der Reichsgarde und der Heiligen Gesandtschaft. Alle trugen sie dem Anlass entsprechend schwarze Kleidung und die Frauen waren alle g?nzlich verschleiert. Stolz wehten die Fahnen und Standarten des Kaiserhauses, des Reiches und auch die des Heiligen Krieges im Wind. Es war ein Ereignis, das kein Zeitgenosse je erlebt hatte, noch jemals wieder erleben würde. Die Menschenmassen, die gekommen waren, um diesen historischen Moment mitzuerleben, waren schier unglaublich. Es ist kaum m?glich dies in Worte zu fassen. Doch noch viel pr?gender war die Stimmung, die herrschte. Es war kein stiller, and?chtiger Trauermarsch. Ganz im Gegenteil, war da ein teils, schrilles, ohrenbet?ubendes Geschrei, teils ein gr?lendes Jammern und Wehklagen der trauernden Schar zu vernehmen. Ein besessenes, gar befremdliches Schauspiel bot sich dem neutralen Beobachter. Zahllose Menschen warfen sich auf den Boden, weinten, schrien und flehten, ein Verhalten, das sie wohl nicht einmal beim Entschlafen ihrer eigenen Eltern an den Tag gelegt h?tten. Die Wachen kamen kaum einher, die Flut an Leuten, welche den langsam den Serapinal hinaufwandernden Sarkophag berühren wollten, oder diesen zumindest sehen wollten, abzudr?ngen. Bizarr und gleichsam vollkommen verst?ndlich waren diese Szenen, die sich hier darboten. Die Geschehnisse der letzten Jahrzehnte hatten Kaphkos und seine Bewohner tief gepr?gt. Unter lautem L?uten von riesigen, silbernen, speziell für dieses Ereignis gegossenen Totenglocken, erwies das ganze Reich seinem Erkorenen die letzte Ehre. Hier wurde ein Mann zu Grabe getragen, der so viele Gemüter, wie keiner zuvor berührt hatte, der einen solchen Eindruck in den K?pfen und Herzen der Menschen hinterlassen hatte, dass es die Geschicke der ganzen Menschheit für immer ver?ndert hatte. Melgar, er war wahrhaftig ein Gro?er gewesen. Mit ihm war die Revolution begonnen worden und unter ihm hatte der religi?se Eifer nie dagewesene Ausma?e erreicht. Wie eine Flutwelle war er über den Kontinent hinweggefegt und hatte ihn im Namen der Vollstreckung des g?ttlichen Willens in Blut getr?nkt! Dieser unvergleichliche überschwang kam auch an jenem Schicksalstag zum Ausdruck. Es waren nicht nur seine Anh?nger und teleiotische Fanatiker hier, sondern auch viele jener, die ihn und seine Herrschaft ablehnten, die diese wahrscheinlich als Tyrannei bezeichnet h?tten. Alle wollten sich davon überzeugen, dass derjenige, der ganz Kaphkos derartig stark gepr?gt und ver?ndert hatte, der die leibliche Manifestation ihrer endlosen Beweihr?ucherungen war und ist, nun tats?chlich von uns geschieden war. Denn, obgleich man ihn hasste oder liebte, Melgar der Selbsternannte war ein bedeutsamer Mann gewesen, der die Welt auf den Kopf gestellt hatte. Er hatte das absolute Kaisertum wiedereingeführt und alle ihm kritischen Gruppen unterworfen oder aber ausradiert. Meines Erachtens sollte die geschichtliche Periode, der er Form gegeben hatte, von künftigen Generationen als ?das Dominat“ tituliert werden.

  The narrative has been taken without permission. Report any sightings.

  Philon von Monopharo (sp?ter der Blasphemie angeklagt und hingerichtet)

Recommended Popular Novels